ALT: Leistungsphysiologie: Ausdauer

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WAS DU IN DIESEM KAPITEL LERNEN WIRST

ENERGIEUMWANDLUNG

Die drei Energiesysteme, wie sie von Nahrung über ATP bis hin zur Watt-Leistung Energie in den Körper unserer Athleten generieren.

Die drei tanks

Wie sie dynamisch interagieren können, um eine effiziente Nutzung der Energie-Ressourcen zu gewährleisten.

BELASTBARKEIT

Wie du das Verletzungsrisiko durch strukturiertes Athletiktraining reduzierst.

Mechanismen der energiesysteme

Der Körper besitzt drei Mechanismen, um direkt aus Fetten und Kohlenhydraten für die Muskulatur nutzbare Energie in Form von ATP herzustellen und zur Verfügung zu stellen. Wir wollen keine biochemische Ausbildung bekommen, sondern unser Training planen können, deshalb betrachten wir die Energiesysteme jetzt einfach, anschaulich und mit praktischen Bezügen. Wir können uns die Energiesysteme wie 3 Tanks vorstellen.

Da das aerobe Energiesystem alle Körperfette und Kohlenhydrate zur Energiegewinnung nutzen kann, ist es mit Abstand der größte Tank. Mit diesem Tank kann ein Mensch mit durchschnittlichem Körperfettgehalt über 1700km zurücklegen. Das schafft kein Kleinwagen.

nutzbarkeit & Kapazität

Das anaerob-laktazide Energiesystem nutzt nur die Kohlenhydrate in Blut, Leber und Muskulatur und ist damit ein mittelgroßer Tank. Immerhin kommen wir damit ca. 30km weit, wenn wir sie nicht auffüllen.

Der kleinste Tank ist das anaerob-alaktazide Energiesystem mit einer Gesamtreichweite von nur etwa 70 Metern, da in allen Muskelzellen des Körpers nur etwa 5 Kalorien in Form von Kreatinphosphat eingespeichert sind. Die reine Tankgröße ist die Gesamtkapazität eines Energiesystems.

Diese Größe ist relativ fix und nicht sehr gut trainierbar. Man kann zwar die Gesamtkapazität des aeroben Energiesystems verbessern, indem man sich Fettspeicher anfrisst, aber da die Kapazität des aeroben Systems in den meisten Teamsportarten meist keinen limitierenden Faktor darstellt (Reichweite 1700 km!), sind Fettspeicher für die meisten Sportarten nicht notwendig.

Die flussrate

Wenn doch das aerobe Energiesystem eine Reichweite von 1700km hat, wieso erschöpfen wir dann überhaupt bei einem Match? Der Haken bei diesen 1700km ist, dass das aerobe Energiesystem zwar eine riesige Kapazität hat, also einen sehr großen Tank, aber die Öffnung dieses Tanks ist nur sehr klein, dass heißt die MENGE an Energie, die wir PRO SEKUNDE aus dem Tank herausbekommen, ist sehr gering.

Ein Marathonläufer greift größtenteils auf das aerobe Energiesystem zurück, weil er lange Strecken zurücklegen muss (42,195km). Das kann er allerdings nur mit einer relativ langsamen Geschwindigkeit, weil das aerobe Energiesystem eine sehr schlechte RATE DER ENERGIEBEREITSTELLUNG hat. Die Öffnung des Tanks ist sehr klein. Um maximal schnell laufen zu können, muss der Körper auf ein Energiesystem zurückgreifen, was eine sehr hohe ENERGIEBEREITSTELLUNGSRATE besitzt, nämlich das anaerob-alaktazide Energiesystem.

energiebereitstellung

Das Anaerob-alaktazide System ist unser Sprintsystem. Dank der enormen Energie, die wir in kürzester Zeit erhalten, sind wir in der Lage, mit maximaler Geschwindigkeit zu rennen und äußerst stark einen Fußball zu schießen. Aber dadurch, dass es nur eine Kapazität eines Wasserglases hat, ist der Tank auch sehr schnell leer. Das ist der Grund warum die meisten 100m Sprinter nach etwa 60-80m wieder langsamer werden.

Die RATE eines Energiesystems können wir uns vorstellen wie Zapfhähne an unseren Tanks. Der größte Tank (das aerobe System) hat mit Abstand den kleinsten Zapfhahn. Der mittelgroße Tank (das anaerob-laktazide System) hat einen größeren Zapfhahn. Der kleinste Tank (das anaerob-alaktazide System) hat den größten Hahn. Man kann es quasi direkt auskippen, wie ein Glas Wasser.

KOMPENSATIONSSYSTEM

Jede körperliche Leistung wird durch eine Mischform aus allen drei Energiesystemen bewältigt. Das spannende dabei ist, dass das anaerob-laktazide System ein KOMPENSATIONSSYSTEM ist, was dann einspringen muss, wenn die anderen beiden Energiesysteme überfordert sind. Wenn ein Sprinter länger als 80m maximal schnell sprinten muss, dann fangen die Beine an zu brennen, weil die anaerob-alaktazide KAPAZITÄT überschritten wurde (das Glas Wasser ist leer). Dann muss nämlich das laktazide System einspringen, um durch seine Beteiligung den Mangel an Energie zu kompensieren. Das ist super.

Der Nachteil dabei ist nur, dass das laktazide System hohe Mengen an Säure bildet, die eine große Rolle in der Entstehung von schweren Beinen und Erschöpfung spielt.

die Säurebildung

Wenn ein Marathonike etwas schneller läuft als die RATE des aeroben Systems es zulässt (also über der aeroben Schwelle), dann fängt bei ihm ebenfalls das laktazide System an zu kompensieren, was die restliche Strecke das Marathons zur Qual macht. Seine Herzfrequenz steigt dann überproportional an, seine Atmung nimmt zu, um die Säure abzuatmen und in den Muskeln sammelt sich Säure, die einerseits die Kontraktionsfähigkeit einschränkt und andererseits auch den Fettstoffwechsel blockiert, was das Problem nochmal verstärkt. Das laktazide System ist also in der Mitte des aeroben und des alaktaziden Systems, um Defizite der beiden Nachbarn zu kompensieren.

unzureichende RATE

Das laktazide System kompensiert für eine unzureichende RATE des aeroben Systems und für eine unzureichende KAPAZITÄT des alaktaziden Systems. Ganz praktisch heißt das für einen Team Sport Spieler, dass er die Leistungen des aeroben Systems (Grundlagenausdauer) und die Leistungen des alaktaziden Systems (Schnellkraft) verbessern muss, um das laktazide System zu entlasten und damit dafür zu sorgen, dass sich keine Milchsäure bildet.

praxisbeispiel

Der Großteil der Saisonvorbereitung sollte damit verbracht werden, die Grundlagenausdauer und die Schnellkraft zu optimieren. Da das laktazide System ein Kompensationssystem ist, nur sehr bedingt wirklich physiologisch zu verbessern ist und sehr viel biochemisches Chaos anrichtet, was zu Verletzung führen kann, sollte das laktazide System in der Saisonvorbereitung nur sehr wenig trainiert werden. Eine 14 tägige Periode vor dem Camp sind ausreichend, um das laktazide System zu trainieren und so die Grundlagenausdauer und Grundlagenpower in „GAME Shape“ zu verwandeln.

Trainingssteuerung

Intensive Belastungen über 30 Sekunden, 400m Läufe, “Suicides”, oder CrossFit-ähnliche Workouts sollten im Team Sport nur sehr dosiert eingesetzt werden. In der Saison spielen solche Trainingsformen dann gar keine Rolle mehr. Während einer Saison verliert die meisten Spieler nicht an Ausdauer, sondern er verliert an Schnellkraft, Beweglichkeit und mentaler Frische. In der Praxis wissen wir, dass eine lange Eishockeysaison dazu führt, dass Spieler sehr viel Cortisol, also Stresshormon, ausschütten. Das trägt nicht nur dazu bei, dass Spieler im Bereich um den Bauch nabel oft ein (für die Spieler lästiges) Fettpolster haben (Hockeyplautze), es kann auch dazu beitragen, dass das Verletzungsrisiko mit fortschreitender Saison ansteigt.

Intensives laktazides Training schüttet ebenfalls viel Cortisol aus, während aerobe Trainingsformen einen regenerativen Charakter haben. In der Saison geht es darum, die Kraft und Schnelligkeitsfähigkeiten aufrecht zu erhalten und bei einigen Spielern, die eine Tendenz dazu haben schlecht zu regenerieren (eher die Schnellkräftigen, unbeweglichen Athleten), gezielte aerobe Trainingsreize anzuwenden. Mehr dazu Später.

BELASTBARKEIT

Die zwei Ziele von Athletiktraining: Verletzungsprävention und Steigerung von (Ausdauer-)Leistung.

Das wichtigste für einen Spieler ist, dass er in der Lage ist, einschränkungsfrei Spielen und trainieren zu können, um seine technisch-taktischen Fertigkeiten verbessern zu können. Dementsprechend ist auch das erste Ziel von Athletiktraining die Belastbarkeit des Körpers auszubauen, damit das Risiko einer Verletzung sinkt.

Das zweite Ziel von Athletiktraining die Optimierung des athletischen Potentials in Form von mehr Leistung und mehr Ausdauer.

kooperation

Beide Ziele: VERLETZUNGSPRÄVENTION & LEISTUNGSSTEIGERUNG lassen sich in den selben Trainingsmethoden vereinen. Jede Methode, die nachhaltig Leistung steigert, mindert auch Verletzungen und umgekehrt. Eine verbesserte Nährstoffversorgung optimiert nicht nur die Leistung, sondern versorgt auch die Gewebe des Athleten mit Baustoffen, um die Regeneration zu beschleunigen und das Verletzungsrisiko zu senken.

Verbesserte Beweglichkeit und Körperstabilität spart dem Athleten Energie, gibt ihm also die Möglichkeit seine volle Leistung zu entfalten und senkt natürlich auch das Verletzungsrisiko. Da Verletzungen aufgrund von Krafteinwirkungen entstehen, führt eine auch optimierte Kraftleistung dazu, dass das Risiko einiger solcher Verletzung gesenkt werden kann.

LEISTUNGSSTEIGERUNG = VERLETZUNGSPRÄVENTION

Die Verletzungstypen

Traumatische Verletzungen treten auf, wenn hohe Kräfte in kurzer Zeit auf den Körper wirken. Dazu gehören Kollisionen mit den Gegenspielern oder Kontakte mit den Spielobjekten wie zum Beispiel dem Fußball an verwundbaren Körperbereichen. Diese Verletzungen lassen sich nur bedingt durch eine verbesserte Belastbarkeit verbessern.

Chronische Verletzungen entstehen, wenn geringe Kräfte oft oder über einen langen Zeitraum auf den Körper wirken. Klassische chronische Verletzungen bei Eishockeyspielern sind Leistenbeschwerden oder Rückenschmerzen. Ein Großteil dieser Verletzungen/Überlastungen entsteht, weil die Muskelkoordination nicht optimal abläuft, einige Bereiche des Körpers an optimaler Funktion verlieren und dadurch andere Bereiche übermäßig belastet werden. Chronische (vor allen Dingen muskuläre) Beschwerden lassen sich durch ein gut strukturiertes Athletiktraining zu einem Großteil verhindern.

Verletzungen durch große Kräfte (traumatisch), durch kleine Kräfte (chronisch)

integration

Verletzungsrisikominimierung, Leistungssteigerung und Ausdauersteigerung werden über die gleichen Trainingsmethodiken erreicht. Wenn wir diese Erkenntnis mit dem Konzept vereinen, dass Fähigkeiten aufeinander aufbauen und Athletik nur Potential ist, dann können wir mit einer einfachen Übersicht alles abrunden. Die Regeneration, wozu Schlaf, Ruhe und Ernährung zählen, bilden das Fundament auf dem alles aufbaut. Hier tankt der Körper neue Energie und füllt seine Reserven auf (FUEL).

Die Bewegungseffizienz in Form von optimaler Beweglichkeit, Koordination und Stabilität (MOVE) ist die Vorraussetzung für die athletischen Qualitäten Schnellkraft und Energiesystemleistung (PERFORM).

Diese drei Bausteine sollten in der Entwicklung eines Sportlers niemals einen limitierenden Faktor darstellen. Jeder Baustein trägt zu der Qualität eines Athleten bei.

Was du jetzt tun solltest:

Scanne deine Trainingspläne und schaue nach ungewollten Laktaziden Belastungen.
Welches Energiesystem ist der limitierende Faktor in deinem Team?
Falls du die Ausfälle noch nicht dokumentierst, fange damit an, um wiederkehrende Muster zu erkennen.
Das Gesetz der repetitiven Bewegung besagt, dass sich das Verletzungsrisiko (V) durch eine Kombination aus Krafteinwirkung (K), Wirkungswiederholungen (W) und Regeneration zwischen Wiederholungen (R) beschreiben lässt. Eine Leistenverletzung, kann einmal, durch hohe Kräfte entstehen, oder durch eine minimale Überlastung/ Dysregulation über einige tausend Wiederholungen. Eine unzureichende Regenerationszeit erhöht auch das Verletzungsrisiko.

– Dr. Leahy

Häufige Fragen

Kann ich meinem Athleten vor dem Wettkampf Kohlenhydrate geben, um die anaerob-laktazide Energieleistung zu steigern?

Ja, das wäre eine Option. Du erhältst einen genauen Ablauf für die Wettkampfvorbereitung in den Lektionen, in denen es um Ernährung geht.

Kann man Verletzungen vorhersagen?

Nein, das funktioniert leider nicht, da dieses System viel zu dynamisch mit viel zu vielen Faktoren ist. Wir als Performance-Coaches können durch gezielte Arbeit das Risiko senken, aber nie wirklich ausschließen.

Ich habe nur 60 Minuten Zeit mit meinen Athleten im Kraftraum. Kann ich trotz der begrenzten Zeit die Ausdauer verbessern?

Du brauchst nicht immer stundenlange Einheiten dafür. Es reichen 2-3 Blöcke pro Woche, jeweils 20-30 Minuten lang, um deine Ausdauerleistung zu halten und zu optimieren. Dies hängt immer vom Limitierungsfaktor des Athleten oder Teams ab.

MORE

die drei energiesysteme


Das aerobe Energiesystem nutzt Fett und Kohlenhydrate, um unter Sauerstoffverbrauch ATP bereitzustellen. Das anaerob- laktazide Energiesystem nutzt Kohlenhydrate, um ohne Sauerstoff
unter Milchsäurebildung Energie bereitzustellen. Das anerobe – alaktazide Energiesystem nutzt Kreatinphosphat, um ohne Sauerstoff und ohne Milchsäurebildung schnell ATP bereitzustellen.

ein fallbeispiel aus der eishockey welt

Marcel Ohmann, ein großes Eishockeytalent aus Köln, war immer für seine Explosivität und seinen Zug zum Tor bekannt, wurde von Coaches aber nicht gerne eingesetzt, weil er auch bekannt für seine „schlechte Ausdauer“ war. Er wurde von allen Coaches durch intensives Intervalltraining gecoacht und musste extra Skating auf dem Eis betreiben. Diese Trainingsformen trainieren primär das laktazide System, das „Balls to the wall“ System, das „bis zum kotzen“ System. Dieses Energiesystem war bei Marcel aber überhaupt nicht der limitierende Faktor. Er erzielte die höchsten Laktatwerte von allen im Team. Er war sehr gut darin anaerob Energie bereitzustellen, und er hatte mit Abstand die beste Laktattoleranz im Team. Sein laktazides System war voll entwickelt. Sein alaktazides System war ebenfalls sehr ausgereift. „Pound for Pound“ ist er einer der stärksten und explosivsten Spieler der Liga. Der einzige limitierende Faktor war bei ihm das aerobe Energiesystem. Von Atmung bis Herzfunktion, bis zellulär-aerobe Effizienz. Also hat er sein Training im Sommer komplett umgestellt und hat KEIN Intervalltraining mehr betrieben, sondern hat sein Training auf Beweglichkeit in der Brustwirbelsäule und Atmung fokussiert, um den Atmungsteil des aeroben Energiesystems zu optimieren. Marcel hat seine 14 Stunden Ausdauer- und Krafttraining pro Woche voll auf das aerobe Energiesystem fokussiert. Mit aeroben Mischzirkel hat er seine Herzfrequenz über viele Stunden im Herzfrequenzbereich von 120-150 gehalten, um sein Herz zu vergrößern und ist dabei gleichzeitig koordinativ stärker geworden, was bei reinem Fahrradfahren oder Joggen nicht der Fall wäre. Mit Methoden wie FT-oxidativem Krafttraining hat er die Mitochondrienfunktion seiner schnell zuckenden Muskelfasern optimiert und damit seinem Muskel beigebracht, die rohe Power die er hat, mehr aus dem aeroben Energiesystem zu versorgen. Mit Hilfe von FT-oxidativem Training hat er die Anzahl und aerobe Funktion seiner schnell zuckenden Muskelfasern verbessert und mit 4×4 Minuten Intervallen konnte er schnell in der finalen Phase der Saisonvorbereitung seine zelluläre, aerobe Effizienz verbessern. Das Resultat war, dass er sich in der Folgesaison einen festen Platz in der stärksten dritten Reihe der Liga sichern konnte, er bekannt dafür war, auch im letzten Drittel noch der schnellste Skater zu sein und die Saison mit 45 Toren und 43 Assists abschloss. (Genaue Anleitungen und Protokolle der Methoden kommen in den weiteren Lektionen.)

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