Die Zusammenhänge zwischen der aktuellen Trainingsbelastung und dem Regenerationsstatus von Athleten und deines Teams.
Erprobte Tools für die Praxis, wie du peripherer Ermüdung und CNS-Ermüdung messbar machen kannst.
Die 5 Einsteigerfehler und wie du diese in der praktischen Arbeit vermeidest.”
Wenn es darum geht, die FRESHNESS zu erfassen, also das, was der Athlet in der Realität, zum aktuellen Zeitpunkt, bei seiner aktuellen Erschöpfungssituation leisten kann und um daraus auch ableiten zu können, wie die Trainingsintensität und das Trainingnsvolumen dosiert werden müssen, dann ist der MONITORING Prozess erforderlich. Monitoring misst die aktuelle Leistungsbereitschaft, die Freshness des Athleten.
Im Gegensatz zur Leistungsdiagnostik, wird Monitoring täglich bis mindestens wöchentlich durchgeführt und gibt bei guter Auswahl der Indikatoren und einer smarten Auswertung, eine wichtige Aussage über den aktuellen Regenerationszustand des Athleten. Monitoring kann man sich so vorstellen, wie ein Armaturenbrett im Auto. Dort kann man jederzeit ablesen, wie schnell man gerade fährt, wie voll der Tank noch ist und wie weit man bei aktueller Geschwindigkeit noch fahren kann.
Die Indikatoren für Erschöpfung müssen folgende Punkte erfüllen:
Bei der Auswahl und Auswertung von Monitoringindikatoren muss man zwischen zentraler und muskulärer (peripherer) Erschöpfung differenzieren, denn ein Athlet kann muskulär sehr erschöpft, zentral aber noch gut erholt sein (wie z.B. nach einem Muskelaufbautraining). Genauso kann er zentral-nervös stark erschöpft, muskulär aber noch sehr frisch sein (z.B. nach einem intensiven Schnellkrafttraining). Wenn ein Athlet bei einem Spiel schlechte Leistung abruft und seine Monitoringwerte auch schlecht aussehen, dann hat dieser Athlet kein FITNESS Problem, sondern ein FRESHNESS Problem. Dieses Problem kann er nur mit optimierter Regeneration lösen. Wenn die Leistung im Spiel schlecht ist, die Monitoringwerte aber gut, dann liegt das Problem eher nicht bei mangelnder Regeneration. Im folgenden Abschnitt findest du eine Auswahl der besten Freshness- Indikatoren für die Praxis.
Bei diesem Test liegt der Athlet auf dem Rücken, hat eine Blutdruckmanschette zwischen den Knien und drückt diese mit aller Kraft zusammen. Während dieser Test auch eine zentrale Regulationskomponente beinhaltet, ist bei Eishockeyspielern eine Reduktion in dieser Adduktionskraft hauptsächlich auf eine Erschöpfung oder gar Verletzung des Leisten-/ Adduktorenbereichs zurückzuführen.
Es konnte gezeigt werden, dass Athleten, die eine Geschichte chronischer Leistenbeschwerden haben, schlechter in diesem Test abschneiden. Auch kann eine reduzierte Kraft in diesem Test eine bevorstehende Verletzung des Leistenbereiches vorhersagen. Abweichungen vom individuellen Durchschnitt nach unten von über 5% sollten ernst genommen werden. Der Groin-Squeeze-Test wird nicht nur im Eishockey benutzt, sondern auch häufig in Sportarten verwendet, die Laufen, Kicken, seitliche Bewegungen, wiederholtes Drehen und Richtungswechsel beinhalten. Diese Art von Diagnostik liefert in der Praxis einen gute Einblick über den Athleten.
Creatinkinase (CK) ist ein Enzym, das im Skelettmuskel aus Kreatinphosphat und Adenosindiphosphat wertvolles ATP synthetisieren kann. Man findet die CK fast ausschliesslich in Skelettmuskulatur, daher ist ein erhöhter Blutwert ein Hinweis dafür, dass Skelettmuskelzellen zerstört wurden, wodurch die CK ins Blut gelangen konnte. Ein normaler CK Blutwert liegt bei unter 170 Einheiten pro Liter (U/L) und kann 24 Stunden nach einem intensiven Krafttraining bei weit über 5000 U/L liegen. Creatinkinase und Muskelkater hängen eng miteinander zusammen, jedoch je erfahrener ein Athlet wird, desto geringer werden seine relativen Creatinkinasewerte im Vergleich zum Muskelkater sein. In einer US Studie hatten erfahrene Athleten nach einer Trainingseinheit für die unteren Extremitäten einen Muskelkater von 3,8 auf einer Skala von 1-5 bei einem CK Wert von 1349 U/L, während die unerfahrenen Athleten zwar nur einen Muskelkater von 2,4 angegeben haben, aber mit einem durchschnittlichen Wert von 3272 U/L mehr als doppelt so hohe CK Werte hatten wie die trainierte Gruppe. Deshalb, und auf grund der nicht vor handenen Praktikabilität von Labortests im Teamsetting ist eine Diagnostik von CK oder ähnlichen Parametern nicht empfehlenswert.
Besser geeignet, um den Muskelkater und damit die potentielle muskuläre Maximalleistung zu erfassen, ist die visuelle Analogskala (VAS) von 1-5. Laut Axel Urhausen, einem der führenden Forscher für Regeneration und Übertraining, ist eine Befragung des Athleten mit die beste Methode, um periphere Erschöpfung messbar zu machen.
In der Eishockeynationalmannschaft wurde dieses einfache System von uns mit Hilfe einer kleinen Visitenkarte umgesetzt, die die Athleten jeden Morgen an der entsprechenden Stelle einreissen müssen. Auf der Visitenkarte ist am Rand eine farbliche Skala von 1 (rot) bis 5 (grün) angebracht mit der Frage „Wieviel Muskelkater hast du?“. Der Athlet reißt seine Karte an der entsprechenden Stelle ein und wirft die Karte in einen Beutel, der vom Performance Coach im Anschluss ausgewertet wird.
Sicherlich die verbreiteteste Möglichkeit die Aktivität des zentralen Nervensystems zu erfassen, ist die Herzratenvariablität (HRV). Diese basiert darauf, dass unser Puls nicht punktgenau wie ein Computer funktioniert, sondern natürlichen Schwankungen von Schlag zu Schlag unterliegt. Je lebendiger und vitaler wir sind, desto größer sind die Schwankungen. Bereits der chinesische Mediziner Wang Shu-He hat im 3. Jahrhundert gesagt : “Ist der Puls eines Patienten so regelmässig wie das Tropfen des Regens vom Dach, dann ist der Patient 3 Tage vor dem Tode.”
Die HRV ist ein Frühwarnsystem für Leistungseinbußen. Studien konnten zeigen, dass eine reduzierte HRV auf Leistungseinbußen hinweist, die ein paar Tage später folgen, obwohl der Athlet selber keine Erschöpfung verspürt. Das zeigt, dass ein objektiver physiologischer Wert die eigene und fremde subjektive Einschätzung maßgeblich unterstützen kann, um Leistung zu optimieren. Die Variation der Pulsfrequenz wird durch viele physiologische Einflüsse gesteuert. Sowohl das sympathische Nervensystem hat Fasern, die am Herzen ansetzen und die Pulsfrequenz nach oben regulieren, als auch das parasympathische Nervensystem hat einen Nervenstrang, den Vagusnerv, der vom Gehirn durch den Brustkorb zum Herzen läuft und den Puls langsamer macht. Während wir einatmen entsteht im Brustkorb ein Unterdruck und der Vagusnerv sendet daraufhin reduzierte Signale an das Herz, was Du einer Beschleunigung des Pulses beim Einatmen führt. Diese, durch die Atmung bedingte Unregelmäßigkeit in unserem Puls, nennt sich respiratorische Sinusarrhythmie, ist sehr natürlich und ein Zeichen von einem balancierten und gesundem Nervensystem.
Die ersten Erkenntnisse über HRV in der westlichen Medizin wurden gewonnen, als man feststellte, dass Frühgeborene mit einer reduzierten HRV aufgrund reduzierter Sinusarryhtmie eine stark reduzierte Überlebenschance hatten. Seitdem ist die HRV ein fester Bestandteil, nicht nur der Pädiatrie, sondern auch der Kardiologie, und auch dem Regenerationsmanagement von Athleten.
Das liegt daran, dass man festgestellt hat, dass die HRV sehr sensibel auf Trainingsbelastungen reagiert. Wird die Trainingsbelastung hochgeschraubt, dann reduziert sich die HRV, weil das sympathische dem parasympathischen Nervensystem überwiegt und dadurch die Pulsfrequenzreduktion während der Atmung, die ja vom parasympathischen Nervensystem vorgenommen werden sollte, nicht mehr in einem hohen Maße passiert. Die Variabilität nimmt ab. Das nennt man dann auch sympathische Dominanz.
Um die HRV zu messen erfordert es inzwischen keine grossen und teuren EKG Geräte mehr. Es gibt zahlreiche User-Varianten, die man für kleines Geld erwerben kann. Sicherlich mit die beste Variante, die für Einsteiger wunderbar geeignet ist, ist das “iThlete” System. Alles was man für die Nutzung benötigt ist ein Smartphone und einen Standardpulsgurt. Die Messung dauert 5 Minuten und ist sehr verlässlich, wenn man einige Standardisierungsregeln beachtet. (Jeden Morgen nach dem Aufstehen, vor dem Toilettengang, kein Koffein, etc.)
Bei der Nutzung von iThlete ist es erforderlich erstmal 10-14 Tage seinen individuellen Durchschnitt zu kennen, bevor man anfängt auf die möglichen Abweichungen zu reagieren. Eine noch genauere Analyse der HRV ist mit dem Tool Omegawave möglich. Im Gegensatz zu iThlete und fast allen anderen HRV Tools, nutzt Omegawave nicht nur die Wurzel, der durchschnittlichen Herzschlagabweichungen, sondern es wird zusätzlich eine sogenannte Spektralanalyse und eine nicht-lineare Berechnungsmethode angewandt. Omegawave kann eine noch genauere Aussage über den aktuellen Regenerationszustand treffen und genauere Trainingsempfehlungen geben.
Einer der praktikabelsten und wertvollsten Methoden, um nicht nur vegetativ-kardiale, sondern auch neuromuskuläre Erschöpfung als Folge von Kraft- trainingseinheiten, Schnelligkeitseinheiten, oder Spielen zu erfassen, ist die Sprungkraft.
Der Goldstandard zur Erfassung von Erschöpfung und Regeneration ist die muskuläre Maximalleistung. Die Sprungkraft kann die muskuläre Maximalleistung abrufen OHNE eine relevante Erschöpfung zu produzieren. Man kann also sozusagen beobachten ohne einzugreifen. Sobald die individuelle Sprungkraft von dem bisherigen Durchschnitt des Athleten zu mehr als 5% abweicht, dann ist das zentral- nervöse System des Athleten mit Adaptation beschäftigt. Schwankungen über 10% sollten zu einer reduzierten Trainingslast führen. Die Sprungkraft ist ein guter Indikator für die Explosivkraft des Athleten. Daher raten wir stark dazu, täglich die Sprungkraft der Athleten zu messen, um nicht nur den Trainingserfolg zu bewerten, sondern auch, um anhand akuter Schwankungen die Trainingsintensität zu steuern.
Bei einer täglichen Schwankung von über 10% sollte das Trainingsvolumen reduziert werden.
Auch bei plötzlichen Steigungen von über 10% sollte das Volumen reduziert werden um das neue Leistungsniveau zu stabilisieren. Wenn man die Sprungkraft nur 1x/Woche misst, dann sollte man spätestens bei einer Verschiebung von über 15% handeln.
Griffkraft hängt eng mit Gesamtkörperkraft, Krankheitsrisiko, Sterblichkeit und sogar der Libido zusammen.
Eine Studie mit 693 Männern hat ergeben, dass es außerdem eine enge Korrelation von Griffkraft und Testosteronwerten gibt. Die Griffkraft nimmt ab, wenn die Dopaminspiegel im Gehirn fallen und kann daher ein guter Frühindikator für die zentral- nervöse Erschöpfung sein. Die Griffkraft wird mit einem so genannten Hand-Dynamometer gemessen, welches man ab 30€ finden kann.
Der Standing Toe Touch ist der klassische „Berühren sie mal bitte bei gestreckten Beinen mit ihren Fingerspitzen ihre Zehen“ Test. Obwohl es paradox erscheint, haben wir diesen Test absichtlich nicht in die Testung der muskulären Erschöpfung eingeordnet, sondern in die Erschöpfung des zentralen Nervensystems.
Die Länge und Spannung von Muskeln ist kein rein mechanisches Phänomen, sondern der Hauptverantwortliche für die Muskelspannung ist mal wieder das zentrale Nervensystem. Das ist der Grund warum Muskelrelaxantien während der Narkose funktionieren und warum aktives Stretching effektiver für Beweglichkeit ist als statisches Stretching. Hierbei geht es vor allen Dingen um ein Phänomen, dass sich „Startle Reflex“ nennt. Der Startle Reflex, sowie die Landau Reaktion sind unsere angeboreneren Schutzreflexe. Wir haben ihn alle als kleine Kinder schon gemacht, wenn wir mit Schneebällen beworfen wurden, und machen ihn heute, wenn sich ein Puck in Richtung unseres Gesichtes bewegt. Dabei bringen wir die Arme schützend vor das Gesicht, den Kopf nach vorne und unten, die Nackenmuskulatur spannt sich an, wir gehen leicht in die Knie und machen den Rücken krumm, um die Bauchorgane zu schützen.
Dieser Reflex tritt nicht nur bei akuten Gefahren, sondern auch in geringem Ausmaße bei chronischer Stressbelastung auf. Die Schultern fallen leicht nach vorne ein, der Nacken verspannt sich, der Rücken verspannt sich, und wir werden eben unbeweglicher, wenn es darauf ankommt, mit den Fingerspitzen den Boden zu berühren.
Der Toe Touch wird von manchen Trainern auch während des Trainings eingesetzt, um die richtige Übungsauswahl und die richtige Trainingsdosis zu wählen. Sobald der Toe Touch schlechter wird, bedeutet das, dass der Körper des Athleten sich mit einer Übung nicht mehr sicher fühlt, weil die Belastung zu hoch geworden ist. Der Toe Touch kann einen guten Überblick über den aktuellen Belastungszustand des Athleten geben und in Kombination mit spezifischeren Messungen des zentralen Nervensystems und des muskulären Systems eine gute Hilfestellung für die Trainingssteuerung sein.
Wenn du endlich einen Daumen auf optimales Regenerationsmanagement in deinem Team legen willst, dann musst du mit einem strukturierten Monitoringprozess beginnen. Wichtig dabei ist, dass du in kleinen Schritten beginnst und nicht zuviel auf einmal machst.
Fange mit einer wöchentlichen Analyse des gesamten Teams an. Wenn du das 6-12 Monate gut umsetzen konntest, dann steigere es auf eine wöchentliche Analyse für einzelne Spieler. Wenn du das ebenfalls 6-12 Monate umsetzen konntest, kannst du zu einer täglichen Analyse jedes einzelnen Spielers übergehen. Das ist die Profivariante.
Selbst wenn du nur ein wöchentliches Freshness- monitoring für das gesamte Team betreibst, bist du anderen Teams weite Schritte vorraus! Den Monitoringprozess lässt du in drei Schritten ablaufen. Im ersten Schritt erfasst du welchen Belastungen der Athlet unterliegt (INPUT), dann erfasst du wie der Athlet darauf reagiert (OUTPUT) und im letzten Schritt entwickelst du daraus deine folgende Trainingswoche.
Wähle aus, welche Informationen du über die Stressbelastungen der Spieler erfasst. Starte mit einfachen Daten, die sich einfach und regelmässig erfassen lassen.
Es macht Sinn, auch Belastungen der Spieler zu erfassen, die nicht direkt mit der Sportart zu tun haben. Der Bundesstützpunkt Badminton nutzt dafür einen akademischen Index. Die Spieler geben mit einem Punktesystem von 1-10 an, wie intensiv die schulische Belastung gerade ist. In der Prüfungsphase reduzieren die Badmintontrainer daher die Trainingsbelastungen, um die Leistung der Spieler oben zu halten. Auf Kadermaßnahmen der deutschen Eishockeynationalmannschaft erfassten wir ebenso tägliche Schlafinformationen zu Schlafdauer und Schlafqualität, da natürlich eine eingeschränkte Nachtruhe auch einen Belastungsfaktor darstellt.
Hier erfasst du wöchentlich Informationen zu der zentralen und peripheren Erschöpfung deiner Athleten. Als simpelste Variante, beginne deine Spieler mit einem einfachen 1-5 Punktesystem zu fragen, wie sie sich fühlen.
Wir haben das anfangs so gelöst, dass wir einfache Visitenkarten gedruckt haben, auf denen die Spieler von 1-5 anreißen konnten, wie hoch ihre mentale und körperliche Erschöpfung ist. Auf Kadermaßnahmen der deutschen Eishockeynationalmannscahft erfassten wir ebenso tägliche Schlafinformationen zu Schlafdauer und Schlafqualität, da natürlich eine eingeschränkte Nachtruhe auch einen Belastungsfaktor darstellt. Etwas fortgeschrittener sind dann Messmethoden wie Sprungkraft oder Griffkraft, die von dir 1x pro Woche gesammelt werden sollten. Dies solltest du aber auch nur machen, wenn du eine individuelle Auswertung erstellst.
Jetzt machst du nichts anderes als alle Werte aus beiden Kategorien gegeneinander aufzutragen, um damit im Saisonverlauf immer bessere Entscheidungen treffen zu können. Erkenntnisse aus einem regelmäßigen Monitoring können sein, dass Spieler immer in der Woche nach einem verlorenen Spiel mental erschöpfter sind, als nach gewonnen Spielen. Man findet vielleicht heraus, dass bei Durchschnittsintensitäten in der Trainingswoche über 3 in der Folgewoche die Spieler immer verloren (oder gewonnen) werden.
Man findet vielleicht heraus, dass sich Verletzungen anhäufen, wenn die durchschnittliche körperliche Erschöpfung einen kritischen Wert von 3 für länger als 2 Wochen beibehält. Vielleicht findet man aber auch heraus, dass man als Spieler immer dann optimal vorbereitet ist, wenn die Gesamtbelastung der Trainingswoche exakt 160% der Belastung des Spieltages entspricht. Das ist eine Erkenntnis, die der FC Chelsea aus seinem Monitoringsystem ziehen konnte. Je länger ein Monitoringsystem in deinem Verein oder deiner Organisation aktiv ist, desto effektiver wird es, und desto mehr Erkenntnisse kannst du über die optimale Trainingsdosis gewinnen.
Im Rahmen der Nationalmannschaftsmaßnahmen konnten wir entscheidende Erkenntnisse über die Zusammenhänge von ausreichender Flüssigkeitsaufnahme nach dem Spiel und der Explosivkraft am Folgetag ziehen. Wenn die Spieler am Morgen nach dem Spiel 1-2% weniger gewogen haben, dann ist ihre Sprungkraft an diesem Morgen auch 5-10% schlechter als sonst gewesen. Erstmal denkt man er müsste höher springen, weil er ja weniger wiegt, aber der leistungshemmende Effekt der Dehydrierung ist viel stärker.
Diese Erkenntnisse sind für uns als Trainer nicht neu, aber für den Spieler ein entscheidender Moment, in dem er sofort den Zusammenhang zwischen seinem Verhalten und seiner Leistung sieht. Das wäre durch Worte nicht zu ersetzen. In der MORE-Sektion dieser Lektion findet ihr eine Fallstudie mit unseren Erfahrungen aus dem Monitoring in einem Camp-Szenario mit der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft.
1. Overrecovery (zuviel Regeneration)
Monitoring ist nicht dazu da, jegliche Form der Erschöpfung im Keim zu ersticken und den Athleten immer auf einem guten Freshness- bzw. Regenerationslevel zu halten. Für jeden sportlichen Fortschritt ist es erforderlich, seine komfortable Zone zu verlassen und sich gezielt zu überlasten ohne sich zu überbelasten. Monitoring kann dabei helfen, diesen feinen Grat zwischen zu geringe Trainingsbelastung und zu hohe Trainingsbelastung zu wandern. Denn wenn man zu intensiv trainiert, riskiert man Verletzung und möglicherweise eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit am Spieltag und wenn man zu wenig trainiert, riskiert man eine ausbleibende Adaptation. Monitoring hilft bei der Steuerung der gezielten Überlastung, um dann zum richtigen Zeitpunkt wieder in Topform zu sein. Viele Kollegen, die mit Monitoring beginnen, verrennen sich am Anfang komplett darin zu versuchen, die Erschöpfung zu minimieren. Das ist nicht das Ziel. Das Ziel ist es, Erschöpfung zu timen! Es geht nicht um Regenerationsmaximierung, sondern um Regenerationsmanagement.
Wenn man Freshness Monitoring richtig einsetzt, dann kann man damit die Leistung sehr stark optimieren. Das Potential, was diese Strategie bietet, kann schnell dazu verleiten, direkt voll einzusteigen und ab sofort täglich 4-5 Parameter zu messen. Davon raten wir auf jeden Fall ab. Starte simpel! Starte mit dem Körpergewicht! Du misst nicht einmal pro Woche das Körpergewicht der Athleten? Fang am Montag an. Alleine aus dieser Informationen kann man eine Tonne von Schlüssen ziehen. Im Rahmen der ersten Nationalmannschaftsmaßnahmen war das tägliche Körpergewicht fast die wichtigste Information, die wir gesammelt haben. Man kann sofort den Dialog starten, wenn das Gewicht sich ungewöhnlich nach oben oder unten bewegt. Oft merken Spieler dann erst, dass sie viel zu wenig getrunken haben. Und wenn der Gewichtsverlust, weil sie zu wenig getrunken haben, auch noch mit einer reduzierten Sprungkraftleistung einhergeht, wie es in Minsk oft der Fall war, dann ist der Zusammenhang zwischen Flüssigkeitshaushalt, Körpergewicht und Leistungsfähigkeit sofort für alle Beteiligten ersichtlich. Genauso wie zuviele Neujahrsvorsätze auf einmal kann auch ein Monitoringprojekt daran scheitern, dass man zuviel auf einmal starten möchte.
Genauso wie zuviele Neujahrsvorsätze auf einmal kann auch ein Monitoringprojekt daran scheitern, dass man zuviel auf einmal starten möchte. Bei Datensammlung ist es wichtig, sich für einige wenige Schlüsselinformationen zu einigen, die man dann für mindestens 6-12 Monate sammelt, bevor man es ausbaut. Wenn man einen Monat etwas misst, und dann nach einigen Wochen wieder doch nicht, dann noch einen anderen Parameter, den man aber auch nur für 2 Monate nimmt, dann verlieren auch die Spieler irgendwann das Vertrauen in das System und es bricht zusammen. Herauszufinden, welche Informationen für dein Setting realistisch sind, bringt uns zum nächsten Punkt.
Wir sammeln diese Informationen ja nur aus einem einzigen Grund: Um bessere Entscheidungen treffen zu können. Wir sammeln ja nicht die Informationen weil sie interessant sind, sondern weil sie relevant sind! Wir sind ja keine Wissenschaftler, sondern Coaches und wollen unseren Athleten helfen besser zu regenerieren und zu performen. Deshalb müssen Daten und Informationen einen präskriptiven Charakter haben, das heißt sie sollten eine Konsequenz haben. Wie beeinflussen die täglichen Messungen die Empfehlungen, die Du für deine Spieler aussprichst? Wie verändern sie das, was du ihnen über Ernährung empfiehlst? Wie ändern sie die Intensität deines Trainings? Wenn du eine feste Idee davon hast, wie intensiv ein Training zu jeder Phase der Saison sein sollte und du dich nicht davon abbringen lassen würdest, dann brauchst du auch keine Monitoringdaten erfassen. Wenn du allerdings glaubst, dass du dein Training besser gestalten könntest, wenn du immer wissen würdest, wieviel Benzin noch im Tank deiner Spieler ist, dann ist Monitoring genau für dich. Je mehr Möglichkeiten du und dein Trainerteam haben, desto mehr Daten kannst du sammeln. Wenn es nur um generelle Intensität geht, dann miss nur Sprungkraft und fertig. Wenn du die Möglichkeit von individualisierter therapeutischer, mentaler und medizinischer Betreuung und individualisierte Ernährungs- und Trainingsgestaltung hast, dann bau dein Monitoringprotokoll aus.
Zu wissen wieviel Benzin im Tank ist, ist eine wichtige Information, auch beim Autofahren. Genauso ist es wichtig zu wissen wie schnell man fährt und wieviele Umdrehungen wir aktuell brauchen um diese Geschwindigkeit zu erreichen. Aber wenn wir beim Autofahren dabei vergessen auf die Strasse zu gucken, dann sind wir ein Kandidat für die Darwin Awards. Ein guter Coach holt sich soviel Informationen wie möglich. Er nutzt alle Datensätze aus, die er in die Finger bekommen kann. Videoanalyse, Spielstatistiken, medizinische Informationen und natürlich auch Freshness Monitoring Daten. Man wäre ja auch beim Autofahren bescheuert, wenn man Tankanzeige und Tachometer ignorieren würde. Es beeinflusst unsere Entscheidungen zu einem wichtigen Anteil, wenn auch nur unterbewusst! Aber am Ende trifft er eine smarte Entscheidung, die im Kontext seiner Erfahrung und der Komplexität der Situation Sinn macht. Diese Entscheidung wird besser, je mehr sie von objektiven Daten gestützt wird, ohne von ihnen dominiert zu werden.
Ein großer Kritikpunkt bei dieser systematisierten Spielerbefragung ist oft, dass Spieler dabei nicht ehrlich seien. Wenn sie bei einer anonymisierten Spielerbefragung nicht ehrlich sind gibt es ein sehr großes Vertrauensproblem zwischen Spielern und Trainer. Wenn sie bei einer anonymen Umfrage unehrlich sind, wie ehrlich sind sie dann im Gespräch? Unsere Erfahrung ist, dass sie bei einer anonymen Umfrage sogar ehrlicher sind und sich mal trauen sich dazu zu äußern, wie das Training auf ihre Körper wirkt. Spieler wollen besser werden. Und Spieler wissen, dass man hart trainieren muss, um besser zu werden. Ja, die Installation des Monitoringsystems kann dazu führen, dass man merkt, dass das Training vielleicht an manchen Stellen/ Tagen zu intensiv für die Spieler ist. Jetzt kann man smart sein und die Realität von Anpassung und Regeneration respektieren, oder man sagt sich: „alles Mist, die Spieler sind nur zu soft” und macht weiter wie früher. Die Realität ist, dass ein Großteil deutscher Eishockeyspieler overworked und underdeveloped ist. Nur wenn ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen Spieler und Trainer besteht und beide Vertrauen darin haben, dass smarte Regeneration ein genauso essentieller Bestandteil von Leistungssteigerung ist wie hartes Training, dann kann ein solches System funktionieren.
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